DJ Coreys MusikTipps April 2025

Back to the 70s mit Elton John und Brandi Carlile. Lucy Dacus geht wieder solo. Neue Gay-Americana-Geschichten von Perfume Genius. Verliebt in Lana Del Rey: Loren Kramar und Tamino. Pop-News aus Italien: Lucio Corsi und La Niña. Zwischen Elektro, Disco und Pop: Polo & Pan. Musik wie ein Tag am Meer: Gizmo Varillas. Queerer Frauen-Power und Zärtlichkeit: Lov3less.


ELTON JOHN & BRANDI CARLILE

Who Believes In Angels (Universal)

Der schwule Pop-Veteran und die lesbische Americana-Musikerin haben auf ihrem ersten gemeinsamen Album «Who Believes In Angels» ihre Kräfte gebündelt und streicheln das queere Ohr mit charmantem Chor- oder Harmoniegesang. Brandi Carlile hat Elton John einen regelrechten Energieschub verpasst und ihm zu einem grandiosen Spätwerk verholfen, das dem Vergleich mit Eltons 70s-Albumklassikern wie «Tumbleweed Connection», «Madman Across The Water» und «Goodbye Yellow Breek Road» problemlos standhält. Mit einer Superband im Rücken, die für einen dynamischen Klangteppich sorgt, beschwört das queere Duo den kalifornischen Hippie-Geist vom Laurel Canyon und zollt seinen Idolen wie der bisexuellen Singersongwriterin Laura Nyro oder dem schrillen Little Richard Tribut. Für Elton John kann der Himmel noch warten, wenn sein kreativer Output weiterhin so fantastisch bleibt.


LUCY DACUS

Forever Is A Feeling (Geffen/Universal)

Lucy Dacus gönnt sich eine Auszeit von ihrer queeren Supergroup Boygenius, mit der sie immens erfolgreich war. Auf «Forever Is A Feeling» offizialisiert die Singer-Songwriterin aus Richmond/Virginia ihre Liaison mit dem Boygenius-Mitglied Julien Baker. Mit emotionaler Direktheit erzählt Lucy Dacus von der Ambivalenz der Liebe, die sich manchmal wie ein Segen, manchmal wie ein Fluch anfühlt. Ihr reduzierter Indie-Folk ist geprägt von akustischen Gitarren, feinen Klaviertönen und sanften Streicherarrangements. Neben ihren Boygenius-Kolleginnen Phoebe Bridgers und Julien Baker haben auch Hozier, Madison Cunningham, Melina Duterte, Jake Finch und Bartees Strange zum Album beigetragen.


PERFUME GENIUS

Glory (Matador/Beggars Group)

Seit mittlerweile 17 Jahren verwöhnt Michael Hadreas alias Perfume Genius die Fans von queerem Art-, Chamber- und Indie-Pop. Auf seinem siebten Studio-Album „Glory“ setzt sich Perfume Genius mit der eigenen Vergänglichkeit, seinen persönlichen Ängsten und Sorgen, seinem Hang zur Selbstzerstörung, aber auch mit der grossen Liebe auseinander. Musikalisch bleibt Perfume Genius seinem Chamber-Pop grundsätzlich treu, auch wenn seine fantastische Studio-Band ihn aus seiner Komfortzone lockt und in andere bezaubernde Klangwelten entführt. So schielt «Glory» ein bisschen in Richtung Alternative Country, Americana und Indie-Rock. Das Album ist eine schöne Weiterentwicklung eines immer noch sehr spannenden queeren Künstlers.


LOREN KRAMAR

Living Legend EP (Secretly Canadian)

Mit seinem orchestralen Pop- und Soul-Album-Debüt «Glovemaker» von 2024 und seiner Stimme zwischen Jeff Buckley und Rufus Wainwright hat Loren Kramar den Hollywood Boulevard verdunkelt. In Lana Del Rey, eine der wichtigsten Pop-Künstlerinnen des 21. Jahrhunderts, hat der Songwriter aus Los Angeles mehr als nur eine Seelenverwandte gefunden. Als er in seinen Jugendjahren wegen seinem mädchenhaften Aussehen gemobbt wurde, spendeten ihm Lanas Texte und Songs Trost und Hoffnung. Auf der EP «Living Legend» verwandelt Loren Kramar fünf Lanas Songs in filmische, herzzerreissende und dunkle Perlen. Und er singt Lanas Worte so, wie sie sie geschrieben hat, aus der Perspektive einer Frau. Eine triumphierende Geste, die eine stolze Schwuchtel, wie er sich selbst nennt, mit grosser Genugtuung erfüllt.


TAMINO

Every Dawn’s A Mountain (Communion)

In gewissen Musik-Kreisen wird Tamino-Amir Moharam Fouad als ägyptische männliche Version von Lana Del Rey gesehen. Nicht nur der Albumtitel «Every Dawn’s A Mountain» (Jede Morgendämmerung eine Herausforderung), sondern auch die melancholische Grundstimmung und die Texte um innere Zerrissenheit, Verlust, Trennung und Loslassen von der Vergangenheit erhärten diese These. Auf den zehn neuen Songs vermählt der belgisch-ägyptische Künstler dunklen Singer-Songwriterpop mit der Emotionalität der arabischen klassischen Musik. Die Oud, die arabische Laute und Urmutter aller Gitarreninstrumente, und Taminos dramatische Stimme, die zwischen Bariton und Falsett changiert, spielen auf dem Album die Hauptrollen.


LUCIO CORSI

Volevo essere un duro (Sugar, Universal Music Italia)

Mit «Volevo essere un duro» hat der Singersongwriter Lucio Corsi den zweiten Platz am diesjährigen Sanremo-Festival erreicht und wird mit dem gleichen Song Italien am ESC in Basel vertreten. In einer plastischen Pop-Welt, wo nur noch Firlefanz, Feuerwerk und Oberflächlichkeiten zelebriert werden, wirkt der 31-Jähriger wie ein Fremdkörper, ein Alien. Auf seinem neuen Album befindet sich dieselbe Poesie, Kreativität und Originalität, die die Cantautori der 70er-Jahre ausgezeichnet haben. Lucio Dalla, Edoardo Bennato und Ivan Graziani grüssen aus der Ferne. Die Songtexte kreisen um die Themen Kindheitserinnerungen, schräge Persönlichkeiten, Freundschaft und Liebe. Diese Musik kennt kein Verfalldatum. Einfach die Augen schliessen und in die Traumwelt von Lucio Corsi gleiten. Es lohnt sich.


LA NIÑA

Furèsta (BMG)

Carola Moccia alias LA NIÑA ist das italienische Pendant zur Spanierin Rosalía, die als Flamenco-Innovatorin gilt. Auf ihrem zweiten Album «Furèsta» taucht LA NIÑA in die tiefen Wurzeln der volkstümlichen Musik von Neapel und der Mittelmeerregion ein. Sie fesselt die Ohren mit einem musikalischen Mosaik aus elektronischen Spielereien, Frauenchören, Volksliedern, klassischen Gitarren, Mandolinen und den verschiedensten Perkussionsinstrumenten. LA NIÑA gibt sich auch gesellschaftskritisch. Sie leiht ihre Stimme allen Frauen und Mädchen auf der Welt, diesen Töchtern des Sturms, die heute immer noch stigmatisiert werden. Diese Musik ist von Poesie, Mystik und Rebellion geprägt. Eine explizite Einladung, sich von gesellschaftlichen Zwängen zu befreien.


POLO & PAN

22:22 (Hamburger Records, Ekler / Virgin Music France)

Das ikonische DJ- und Produzenten-Duo aus Paris kehrt mit seinem dritten Album zurück. Die magische Spiegelstunde 22:22 im Titel symbolisiert den schwebenden Zustand zwischen Traum und Realität und die grenzenlosen Möglichkeiten der Nacht im Club. Polo & Pan erforschen eine faszinierende Palette von Stilrichtungen und switchen raffiniert zwischen Old School Disco, Dream House, Soft Rock, Easy Listening, Tropicalia, French Touch und französischem Chanson. Prestigeträchtige Kooperationen mit Metronomy, Beth Ditto, Kids Return, PawPaw Rod und Arthur Teboul bereichern das Album. «Petite Etoile» mit Gossips Sängerin Beth Ditto ist unser heimlicher Favorit.


GIZMO VARILLAS

The World In Colour (Big Lake Music)

Durch eine Kollaboration mit Jack Savoretti bin ich zufällig auf den Sänger und Multiinstrumentalist Gizmo Varillas gestossen. Der Singersongwriter lebt heute zwar in Grossbritannien, seine Wurzeln liegen aber in Spanien. Auf seinem neuen Album «The World In Colour» verarbeitet Gizmo Varillas den Verlust seines Vaters, seine Hochzeit, seinen Umzug nach Brighton und fährt musikalisch zurück ans Meer seiner Kindheitserinnerungen. Er wärmt Herz und Gemüt mit seinen spirituellen Texten über Aufbruch und Rückkehr, über Sehnsucht und Fernweh und mit seinen zärtlichen Melodien aus Folk, Latin, entspannten Grooves und Indie-Pop. Die Songs auf «The World In Colour» sind cineastische Klanglandschaften und fühlen sich an wie ein Tag am Meer. Gizmo Varillas ist ein talentierter Softie, der Hoffnung und Zuversicht zu transportieren weiss.


LOV3LESS

Chief Executive Officer (popup-records)

Hinter dem Künstlernamen Lov3less, einer Referenz an die Band «My Bloody Valentine», versteckt sich die niederländische queere Sängerin und Multiinstrumentalistin Simone Van Vugt. Auf ihrem zweiten Album «Chief Executive Officer» balanciert Lov3less elegant zwischen Alternative Rock und Hochglanz-Pop, zwischen kraftvollen Nummern und introspektiven Balladen, zwischen Alanis Morisette, No Doubt und Chappell Roan. Es gibt Songs zu queerem Sex (MMMami Mami), toxischen Beziehungen (I’m Not Your Mother, Gaslighter), Selbstfindung und Selbstliebe (Better For Me) und Partners mit Suchtproblemen (May22 Follow). Mit dem nostalgischen Millenial Sadness ist Lov3less ein wahrer Pop-Klassiker über die Zweifel und Herausforderungen einer ganzen Generation gelungen.


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Playlist


Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
https://queerupradio.ch

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