Ein Benefiz-Album gegen Transphobie: Transa. Ein Film-Musical über eine trans Frau: Emilia Perez. Comeback mit viel Gefühl: Shawn Mendes. In den 80ern hängengeblieben: Levin Goes Lightly und Gregory Dillon. ASBJØRN in Bewegungsrausch. Das neue düstere Klangbild von 070 Shake. Indie-Folk-Pop mit der queeren Songwriterin mxmtoon. Das Debütalbum von Lucky Love. Das Mutterschaftsalbum von Clara Luciani.
RED HOT ORG
TRANSA (Red Hot Org)
Die New Yorker Red Hot Organisation oder einfach Red Hot Org wurde 1990 im Höhepunkt der AIDS-Pandemie ins Leben gerufen und kämpft seitdem mit Pop-Kultur für die Rechte Homosexueller und HIV-positiver Menschen. Ähnlich wie damals bei HIV-gefährdeten Personen werden Trans-Menschen heute stigmatisiert und diskriminiert. Mit «Transa» haben die Produzenten Dust Reid und Massima Bell ein ambitioniertes Benefiz-Album gegen Transphobie kreiert. Für das Mammut-Projekt aus 46 Songs für dreieinhalb Stunden Musik haben Sam Smith, André3000, Devendra Banhart, Ezra Furman, Perfume Genius, Julien Baker und viele weitere ihre eigenen Songs oder Coverstücke beigesteuert. Mit dabei ist auch Smooth-Soul-Pop-Legende Sade mit ihrem ersten Song seit sechs Jahren. In «Young Lion» bittet sie ihren Trans-Sohn Izaak um Vergebung für alles, was er durchmachen musste. Ein weiteres Highlight ist die Cover-Version von Sylvesters ikonische LGBTQI-Disco-Hymne «You Make Me Feel» mit Moses Sumney, Lyra Pramuk und Sam Smith.
CLÉMENT DUCOL & CAMILLE
Emilia Perez (Original Motion Picture Soundtrack)
Der melodramatisch-brutale Film-Musical “Emilia Perez” des französischen Regisseurs Jacques Audiard hat am letzten Filmfestival in Cannes Geschichte geschrieben. Schauspielerin Karla Sofìa Gascòn hat als erste trans Frau einen Preis als Beste Darstellerin erhalten, zusammen mit ihren Film-Kolleginnen Selena Gomez, Zoe Saldana und Adriana Paz. Im Film geht es um einen skrupellosen mexikanischen Drogenboss, der nach einer Geschlechtsumwandlung ein neues Leben beginnt. Als Emilia Perez kümmert sie sich nunmehr um die Opfer der Drogenkriege in Mexiko und will die Gräueltaten ihrer Vergangenheit als Mann wiedergutmachen. Aber als ihre frühere Identität auffliegt, läuft die Situation endgültig aus dem Ruder. Das französische Sängerpaar Camille und Clément Ducol hat kein Musical im klassischen amerikanischen Stil entworfen, sondern eher an Musik-Filme wie «Die Regenschirme von Cherbourg» von Jacques Demy oder «Cabaret» von Bob Fosse gedacht. Ihre melodramatischen Songs reflektieren sehr gut die politische, emotionale und gesellschaftliche Realität. Der Ex-Teenie-Star Selena Gomez bezaubert in der Single «Mi Camino».
SHAWN MENDES,
Shawn (Island Records)
Um seine mentale Gesundheit zu pflegen, musste Shawn Mendes vor zwei Jahren am Höhepunkt seiner Karriere seine Welttournee absagen. Auf seinem neuen Album «Shawn» schildert er die Etappen seines Heilungsprozesses. Dank Country und Folk im Stil der 70er-Jahre kehrt der kanadische Star zur Reinheit des Geistes und des Herzens zurück. Shawn Mendes beweist, dass er Frieden mit sich und der Welt geschlossen hat. Laut eigenen Angaben ist er gerade dabei, seine Sexualität zu entdecken und kann sich im Moment noch nicht festlegen. Um das Herz seiner Fans zu erreichen, genügen ihm seine warme Stimme und ein wenig mehr als eine akustische Gitarre.
LEVIN GOES LIGHTLY
Numb (Tapete Records)
Der androgyne Exzentriker Levin Stadler aus Stuttgart und sein Indie-Pop-Projekt Levin Goes Lightly melden sich mit ihrem fünften Album zurück. Auf «Numb» verquickt LGL Post Punk, düsteren Cold Wave und tanzbaren Synthie-Pop aus den 80er-Jahren zu einem bezaubernden Sound-Kaleidoskop. David Bowie, die frühen Depeche Mode, New Order und NDW scheinen im neonfarbenen Lichtermeer und Nebelrauch durchzuschimmern. Der dunkle und melancholische Gesang wechselt zwischen Deutsch und Englisch und die Texte drehen sich um heimliche Begehren, toxische Beziehungen und die grosse Liebe.
GREGORY DILLON
Heaven Hates Me (444 Sounds)
Die Enge der Vorstadt und seines streng katholischen Elternhauses haben Gregory Dillon nach New York getrieben. Auf seinem Debüt «Heaven Hates Me» hinterfragt der Queer-Pop-Künstler insbesondere die Vereinbarkeit seiner sexuellen Identität mit seinem Glauben und thematisiert seine innere Zerrissenheit. Gregory Dillon liefert mit 9 melodiösen, tanzbaren und emotionalen Tracks eine starke Botschaft für Hoffnung und Selbstfindung. Musikalisch steckt er mehr als knietief im nostalgischen Synthie-Pop der 80er-Jahre.
ASBJØRN
THE SECRET OUR BODIES HOLD (Body of Work)
Der queere dänische Indie-Pop-Musiker ASBJØRN widmet sich auf seinem neuen Album der Verschmelzung von Bewegung, Tanz und Musik. Er kombiniert Synthie-Pop mit eingängigen Melodien und tiefgründigen Texten über Selbstbestimmung und Verletzlichkeit. ASBJØRN zieht alle Register seines Könnens und changiert zwischen leichtem, experimentellem, düsterem, laszivem und orchestralem Pop. Meine persönlichen Highlights sind “He’s Dancing So Well (I’m Better)” und “New Moon, Same Old Me”, ein Duett mit der queeren faröisch-dänischen Sängerin Brimheim. Eine Künstlerin, die unbedingt im Auge zu behalten ist.
070 SHAKE
Petrichor (G.O.O.D./Def Jam)
Als “Petrichor” wird der Geruch von Regen auf trockener Erde bezeichnet. So erdig, intensiv und erfrischend klingt auch das neue gleichnamige Album der queeren Musikerin Danielle Balbuena alias 070 Shake. Neu verabschiedet sich 070 Shake immer mehr vom Hip-Hop ihrer Anfänge und erschafft einen schwer einzuordnenden Genre-Mix aus Rock, Pop, R&B und Rap. Jedem Song drückt sie ihren eigenen Stempel auf. 070 Shake hat keine Angst vor Bombast, Pomp oder grossen Gesten. Ihr düsteres Sound-Universum passt gut zu ihren Songs über Verlangen und Verliebtheit.
Mxmtoon
liminal space (mxmtoon, AWAL)
Maia X. M. T., Tochter einer chinesisch-amerikanischen Mutter und eines schottisch-deutschen Vaters, ist in Oakland, Kalifornien aufgewachsen. Auf Spotify, TikTok, Bandcamp, Twitch, Snapchat und Soundcloud ist die queere Singer-Songwriterin seit 2021 ein Star mit insgesamt über 300 Millionen Streams. Mit „liminal space“ setzt mxmtoon ihr konfessionelles Songwriting kompromisslos fort. Sie befasst sich mit Themen wie Glaube, Erwachsenwerden und Selbstverwirklichung in einer faszinierend kuscheligen Indie-Folk-Pop-Decke.
LUCKY LOVE
I DON’T CARE IF IT BURNS (Belem Music / Turenne Music)
Der französische Künstler Luc Bruyère alias Lucky Love ist Model, Musiker, queer und behindert. Die Performance zu seinem Song «My Ability» bei der Eröffnung der letzten Paralympischen Spiele in Paris ist schlicht atemberaubend gewesen. Insbesondere mit «Masculinity», seiner Hymne gegen toxische Männlichkeit, hat Lucky Love die Herzen von Millionen von Menschen erobert. Auf seinem Debütalbum «I don’t care if it burns» überwindet Lucky Love mit gewohnter Leichtigkeit menschliche und musikalische Barrieren. Mit Gospelchören versöhnt er die dunkle Seite der 80er-Jahre mit der beschwingten Eleganz der 60er-Jahre. Seiner Aufforderung zu mehr Toleranz, Menschlichkeit und Brüderlichkeit kommen wir gern nach.
CLARA LUCIANI
Mon Sang (Romance Musique / Universal)
Ihr Debüt «La Grenade» von 2018 war im Kern ein sogenanntes Break-Up-Album, ihr zweites Opus «Coeur» von 2021 grosser Disco-Eskapismus und das neue Album «Mon Sang» ist eine intime Bestandsaufnahme ihrer aktuellen persönlichen und emotionalen Situation. Die Französin Clara Luciani hat die 13 neuen Songs während ihrer Schwangerschaft geschrieben und das Muttersein hat ihr ebenfalls einen Kreativitätsschub verliehen. Auf «Mon Sang» balanciert sie souverän zwischen Extrovertiertheit und Tiefgründigkeit, zwischen tanzbaren Pop-Bonbons wie Cette Vie und dunklen Piano-Balladen wie Romance. Der Schlusssong «Forget Me Not», ein Duett mit Rufus Wainwright, ist das Kirschchen auf der Torte.
SENDUNG HÖREN
Playlist
Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
https://queerupradio.ch