DJ Coreys MusikTipps November 2024

Kylie Minogue verdoppelt die Spannung. Auf Disco-House-Trip mit The Blessed Madonna. Back to the Nineties mit Confidence Man. LP Giobbis positive Dance-Hymnen. Katie Gavin: Die Sängerin von MUNA geht solo. Soccer Mummys Indie-Rock-Poesie. Breymers Art-Folk-Juwel über die eigene Transition. Vom «Sex Education»-Star zum R&B-Act: Dua Saleh. Oscar & The Wolf kommt auf den Geschmack des Lebens. Das queere Duo ARXX aus Brighton. Frei und unabhängig: Der Queer-Italo-Pop von La Rappresentante di Lista.


KYLIE MINOGUE

Tension II (Kylie Minogue/Darenote – BMG)

Kylie Minogue ist heute das Bindeglied zwischen Madonna, Dua Lipa und Sabrina Carpenter geworden. Vor eineinhalb Jahren hat sie mit «Padam Padam» und dem Album «Tension» nicht nur die Generation Z bewegt, sondern die globalen Charts gestürmt und dafür noch einen Grammy für die beste Pop-Dance-Aufnahme gewonnen. Es ist also logisch, dass die australische LGBTQI-Ally nun die Gunst der Stunde nutzt und den zweiten Teil von «Tension» nachliefert. Auf dem Sequel inszeniert sich Kylie als sexy, charismatische, strahlende und ewige Disco-Queen. Sie drückt mächtig aufs Gaspedal und lässt mit Tracks zwischen Club und Kommerz die Disco-Kugel nonstop drehen. Auf «Diamonds» beweist sie noch Humor, indem sie ihren berühmtesten «La la la»-Song zitiert. Kylie will uns auch 2024 nicht mehr aus dem Kopf gehen.


THE BLESSED MADONNA

Godspeed (Warner)

Die bisexuelle und nichtbinäre Marea Stamper alias The Blessed Madonna ist seit Ende der 90er-Jahre als DJane und Produzentin unterwegs. Spätestens seit ihrem Remix-Album «Club Future Nostalgia» für Dua Lipa dürfte die in Kentucky geborene, aber in London lebende Künstlerin auch einem breiten Publikum ein Begriff sein. Für ihr Debütalbum hat sich The Blessed Madonna drei Jahre Zeit gelassen. Auf «Godspeed» befördert die queere Club-Ikone den Glanz vergangener Disco-House-Rave-Techno-Dekaden stilsicher und feierlich ins Jetzt. So nah sind sich Disco, Queerness, Religion und Spiritualität noch nie gestanden. «Godspeed» ist eine Hommage an die queere Subkultur und an die queeren Clubs als Safe Spaces. Auf dem Disco-Track «Edge of Saturday Night» durfte auch Kylie Minogue mitfeiern.


CONFIDENCE MAN

3AM (La La La) (Polydor/Universal)

Die vier australischen Disco-Freaks von Confidence Man sind für ihr drittes Album nach England umgezogen und tief in die queere Club-Szene eingetaucht. Auf «3AM (La La La)» entwickeln Confidence Man ihre Tendenz zu 90s Grooves und Euro-Dance weiter und peppen den britischen Dance-Sound jener Dekade auf. Sie befeuern Erinnerungen an Acts wie KLF, EMF, Betty Boo, Dee-Lite, St. Etienne, Fat Boy Slim oder The Prodigy. Mit pulsierenden Rhythmen und den Stimmen von Grace Stephenson und Julian Buchan vermitteln Confidence Man Gefühle von Freiheit, Euphorie, Eskapismus und Ekstase. Auch Kylie Minogue ist von ihnen so fasziniert, dass sie ihnen den Remix ihrer Single «Lights, Camera, Action» anvertraut hat.


LP GIOBBI

Dotr (Counter Records)

Die Amerikanerin Leah Chrisholm alias LP Giobbi hat sich in der aktuellen elektronischen internationalen DJ- und Musik-Szene ein gutes Renommee erarbeitet. Nicht nur wegen ihrer Musik, sondern auch wegen ihres Engagements für mehr Gendergerechtigkeit in einer vorwiegend männlich dominierten Sparte. Auf «Dotr» bietet LP Giobbi ihre sehr persönliche Fusion aus House, Samples, soulful Vocals von verschiedenen Gast-Sänger/innen und kristallklaren Piano-Klängen. Die ausgebildete Jazz-Pianistin widmet ihr neues Werk den drei wichtigsten Frauen in ihrem Leben, sie setzt sich mit dem Verlust lieber Menschen auseinander und kann nach dem Trauern das Leben wieder feiern. Besonders hervorzuheben sind die Kooperationen mit Portugal The Man, Alabama Shake und Danielle Ponder.


KATIE GAVIN

What A Relief (Saddest Factory / Cargo)

Die Sängerin des queeren Pop-Trios Muna startet mit ihrem ersten Solo-Album durch. Katie Gavin hat sich unter die Fittiche der Indie-Rock-Ikone Phoebe Bridgers begeben. Ihr Debüt ist auch auf deren Label Saddest Factory Records erschienen. Auf «What A Relief» verlässt Katie Gavin den Indie-Pop ihrer Anfänge und betritt neues musikalisches Terrain. Sie setzt auf sparsame Instrumentierung, eine intime Atmosphäre und direkte Texte. Dabei bedient sie sich bei Country und Folk, wie das Musiker*innen ihrer Generation tun, die mit Indierock und Americana vertraut wurden. Besonders gelungen sind „Sketches“, eine Reflektion über eine vergangene toxische Beziehung und „The baton“, ein Bluegrass-Song über generationsübergreifenden, weiblichen Zusammenhalt.


SOCCER MOMMY

Evergreen (Loma Vista/Concord)

Die queere Singersongwriterin Sophia Allison alias Soccer Mommy ist vor 27 Jahren in der Schweiz geboren und in Nashville aufgewachsen. Auf ihrem vierten Album «Evergreen» zieht Soccer Mommy meistens den Stecker aus und drosselt das Tempo. Die Grunge-Nummer «Driver» bleibt eine Ausnahme. Denn intime, akustische, mit Streichern und Flöten geschmückten Trauerballaden geben die Stossrichtung. Soccer Mommy kehrt ihr Innerstes nach aussen und schwelgt in Erinnerungen an ihre Mutter und ihre Kindheit. «Evergreen» ist ein sehr gutes Beispiel für die therapeutische Wirkung des Singing-Songwriting und das intensive Dokument einer exzellenten Singer-Songwriterin.


BREYMER

When I Get Through (One Little Indipendent)

Singer-Songwriter:in Breymer aus Minnesota hat ihre ersten zwei Alben unter ihrem bürgerlichen Namen Sarah Walk veröffentlicht. Nach einer Brustangleichung entschied sich Sarah, für ihre Musikkarriere nunmehr ihren zweiten Namen Breymer zu verwenden, der deutlich androgyner wirkt. Auf „When I Get Through“ teilt Breymer seine tiefsten Gefühle mit dem Publikum. Breymer erzählt in magischen, fragilen und einfühlsamen Alternative-Folk-Songs die Geschichte der eigenen Transition und der Suche nach dem wahren Ich.
«When I Get Through» ist eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Prozess vor und nach Breymers Mastektomie und eine wichtige Botschaft für die Menschen in der LGBTQI-Community.


DUA SALEH

I Should Call Them (Ghostly International / Secretly Distribution)

In der Netflix-Serie «Sex Education» hat Dua Saleh die Rolle des nichtbinären Characters Cal Bowman gespielt und ist dadurch berühmt geworden. Nicht nur auf der Leinwand oder auf dem Bildschirm, sondern auch im Bereich Songwriting macht die Amerikanerin mit sudanesischen Wurzeln eine gute Figur. Auf ihrem Debüt «I Should Call Them» wird queere Liebe grossgeschrieben und gefeiert. Salehs futuristischer, nicht immer lieblicher und zuweilen dissonanter R&B fordert alle queeren Menschen auf, ihre Identität nicht zu verstecken, wie sie es auch früher gemacht hat. Im Alternative-R&B-Virtuosen serpentwithfeet findet Saleh einen musikalischen Seelenverwandten. Ihr Duett «Unruly» ist eine echte Perle.


OSCAR AND THE WOLF

Taste (Sony Music)

Auf seinem vierten Album versteckt sich Max Colombie alias Oscar & The Wolf nicht mehr hinter fiktiven Charakteren oder Alter-Egos. Für «Taste» hat der belgische Künstler gegen das exzessive Partyleben rebelliert und endlich den Absprung von Drogen und Alkohol geschafft. Oscar & The Wolf ist im realen Leben angekommen und wird autobiographisch. Auf seinen neuen Songs erforscht er die eigene Verwundbarkeit und Identität. Seine sphärischen Dream-Electro-Pop-Perlen sind eine gute Lektion in Introspektion. Er lässt aber auch Raum für mitreissende Beats in den energiegeladenen EDM-Nummern «Spill My Liquor» und «Obsessed».


ARXX

Good Boy (Submarine Cat Records)

Das neue Album „Good Boy“ der queeren Band ARXX hat wenig gemeinsam mit dem Indie-Punk-Rock ihres Debüts «Ride Or Die». Das Duo aus Brighton hat die Punk-Attitüde zwar nicht ganz abgeschworen, die verzerrten Gitarren aber meistens durch den Synthesizer und einen Schuss Melancholie ersetzt. Eine ähnliche musikalische Entwicklung haben zum Beispiel auch Gossip, Le Tigre und Peaches durchlaufen. Hanni Pidduck und Clara Townsend steht der neue, experimentfreudige Electropop-Mantel, auf dem sie ihre queeren Texte um Herzschmerz, psychische Gesundheit und Selbstfindung aufbauen, einfach fabelhaft.


LA RAPPRESENTANTE DI LISTA

Giorni felici (Numero Uno)

Das fünfte Album der queeren Indie-Pop-Band aus Italien ist wie ein wilder Tanz am Rande eines Abgrunds oder ein befreiender Gesang inmitten der Kriegsrealität. Sängerin, Schauspielerin und Autorin Veronica Lucchesi und Multi-Instrumentalist und Produzent Dario Mangiaracina beweisen einmal mehr, dass ihr identitärer und unabhängiger Pop-Rock seine Daseinsberechtigung im aktuellen Italo-Pop-Universum verdient. Ihre bunten Auftritte am Sanremo-Festival mit «Amare» und «Ciao Ciao» haben LRDL erlaubt, auch das Mainstream-Publikum zu erreichen. Auf «Giorni felici» kokettieren LRDL bewusst mit Pop, ohne sich irgendwelchen Formeln oder Algorithmen zu unterwerfen und bleiben in der Tradition der Cantautori fest verankert.


SENDUNG HÖREN


Playlist


Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im QueerUp Radio auf Radio RaBe
https://queerupradio.ch

Scroll to top