Braucht die Leichtathletik ein ‘Lex Semenya‘ um fair zu sein?

Die Antwort ist ganz klar ja geht man von der Regelung der IAAF für DSD Athletinnen aus, die am 26.4.2018 definiert wurden. Die Regelung gilt nicht für alle Disziplinen, sie gilt für Laufstrecken zwischen 400m und einer Meile, plus entsprechende Staffeln über diese Distanzen.

Ausgangslage

Spätestens seit der Klage von Dutee Chand (indische Sprinterin) vor dem CAS am 26.9.2014 gegen den indischen Verband (der sie auf Grund ihrer zu hohen Testosteronwerte disqualifiziert hatte und ihr ein Startverbot in der Kategorie Frauen auferlegte), ist die Diskussion über Hyperandrogenismus in der Leichtathletik ein viel diskutiertes Thema.  Das Urteil des CAS (publiziert am 24.7.2015, https://www.tas-cas.org/fileadmin/user_upload/award_internet.pdf) hat damals die Regelung der IAAF für mindestens 2 Jahre ausgesetzt und der IAAF Zeit gegeben in der Zwischenzeit Fakten zu liefern die ihre Regelung rechtfertigen.

Am 26.4.2018 publizierte die IAAF schliesslich ihre neuen Regelungen für Athletinnen mit DSD (https://www.iaaf.org/news/press-release/eligibility-regulations-for-female-classifica ). Sie basieren gemäss Dr. Stephane Bermon vom Medical and Science Department der IAAF auf Daten die erhoben wurden und Untersuchungen die gemacht wurden.

“We have seen in a decade and more of research that 7.1 in every 1000 elite female athletes in our sport have elevated testosterone levels, the majority are in the restricted events covered by these regulations. This is around 140 times what you will find in the general female population which demonstrates to us in statistical terms a recruitment bias. The treatment to reduce testosterone levels is a hormone supplement similar to the contraceptive pill taken by millions of women around the world. No athlete will be forced to undergo surgery. It is the athlete’s responsibility, in close consultation with her medical team, to decide on her treatment.”

Diese Reglungen traten am 1.11.2018 in Kraft.

Dagegen klagt nur Caster Semenya erneut beim CAS. Nach einem einwöchigen Hearing, an dem Semenya teilnahm, sollte ursprünglich bis Ende März ein Urteil vorliegen, auf Grund der Komplexität des Falles dürfen wir das Urteil aber erst gegen Ende April erwarten.

Fakten

IOC vs. IAAF:

  • Das IOC hat im November 2015 Regelungen getroffen für transgender athletes und Hyperandrogenism in female athletes. Die besagen, dass Transmänner ohne Restriktionen starten dürfen, Transfrauen aber ihren Testosteronwert auf unter 10nmol/L senken müssen, und ihn dort während einem Jahr halten müssen bevor sie startberechtigt sind. Der Wert muss da bleiben während der gesamten Zeit in der sie bei den Frauen zu starten gedenken. Sollte in der Zeit bei Tests ein höherer Wert festgestellt werden, hat das eine Suspendierung von 12 Monaten zur Folge. Für Athletinnen mit Hyperandrogenismus bleibt das IOC bedeckt und erlaubt ihnen zu starten bis die IAAF in Zusammenarbeit mit den internationalen Verbänden, nationalen olympischen Komitees und anderen Sportverbänden Argumente und Fakten gefunden hat, die die Einführung ihrer Regelungen rechtfertigt.
  • Die IAAF setzt nun den Wert für Athletinnen mit Hyperandrogenismus auf 5nmol/L fest (Halbierung des ursprünglich in der ersten Regelung festgesetzten Wertes, der sich an die Regelungen des IOC für Transfrauen angelehnt hatte). Athletinnen müssen gesetzlich entweder als Frau oder als intergeschlechtlich anerkannt sein. Der festgelegte Wert muss für 6 Monate unterschritten sein um startberechtigt zu sein und danach dort bleiben ob sie startet oder nicht, so lange sie in der Kategorie Frau starten will.

Dazu als Erklärung: Die normalen Testosteronwerte bei cis Frauen liegen zwischen 0.12 und 1.79nmol/L, die der Männer bei 7.7 – 29.4nmol/L.

Es stellt also für die IAAF kein Problem dar, wenn es Transfrauen am Start hat die ihren Testosteronwert unter 10nmol/L halten müssen, und es ist auch kein Problem Frauen mit Hyperandrogenismus starten zu lassen, deren maximaler Testosteronwert 3 mal höher ist als derer von cis Frauen. Versteh das wer will, aber so geht fairer Sport bei der IAAF.

Fakt ist auch, Menschen zu zwingen ihren Körper an Normen anzugleichen ist eine Verletzung der Menschenrechte. Punkt! Semenya als Beispiel vorzuschieben, sie zu outen als intergeschlechtlich, ist ein massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. So ganz nebenbei hat die IAAF 6 weitere Athletinnen mit Hyperandrogenismus auf ihren Startlisten (in welchen Disziplinen geben sie nicht bekannt, auch auf Anfrage), aber es kommt wohl nicht von ungefähr, dass die Regelungen genau die Disziplinen betrifft in denen die drei als intergeschlechtlich zwangsgeouteten Athletinnen starten.

Fakt ist auch, dass derselbe Verband in seinen Rekordlisten Athletinnen führt, die nachweislich bis in die Haarspitzen gedopt allen anderen davonliefen, die das im Fall Marita Koch sogar zugegeben haben, und im Fall Jarmila Kratochvilova so erklärt haben, sie seien der Meinung gewesen, die erhaltenen Spritzen wären Vitamin B12 Injektionen. Die IAAF lässt sogar gedopte Athlet/-innen nach abgesessener Sperre wieder starten, das auch mehrmals! Inkonsequenz ist auch eine Konsequenz.

Fakt ist, auch die Medien tragen das ihre zu einer mehr als kontroversen Diskussion bei. So gerade auch SRF mit der Sendung Sportpanorama Plus. Thema „Intersexualität – wie männlich darf eine Frau sein?“

Schon der Titel ist irreführend. Intergeschlechtlichkeit hat rein gar nix mit Sexualität zu tun. Ausserdem sind doch Frauen, Frauen, oder nicht? Also sind sie weiblich und über deren Männlichkeit zu diskutieren ist doch schon eine Diskriminierung. Oder gibt es Diskussionen zum Thema wie weiblich darf ein Mann sein?

Es entzieht sich meiner Kenntnis warum SRF in die Diskussionsrunde niemanden, der mit Varianten in der Geschlechtsentwicklung geboren wurde, eingeladen hat. Eine entsprechende Anfrage blieb leider auch nur sehr dürftig beantwortet. Trotzdem gilt mein Dank Alecs Recher, der klare Fakten auf den Tisch gelegt hat, und die Inter* Community würdig vertreten hat. Merci.

Lösung des Problems

Man kann es wohl drehen wie man will, es gibt keine, wenigstens keine einfache. Wir bräuchten mehr Forschungsresultate, von unabhängiger Seite. Liegt es wirklich nur am Testosteron? Müsste man neue Kategorien schaffen, eine Einteilung nach Hormonspiegeln etwa? Sollen DSD Athlet/-innen bei den Special- oder Paralympics starten (schliesslich sind wir ja krank gemäss ICD-11)?

Wir dürfen gespannt sein wie das CAS Ende April entscheidet. Sicher ist, egal wie, das letzte Wort ist garantiert nicht gesprochen, das Thema wird uns noch lange weiter beschäftigen.

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