Ist HIV auch ein Lesbenthema?

Einen wunderschönen guten Tag
Ich hatte ein sehr interessantes Gespräch mit ein paar schwulen Männern. Das Thema: HIV. Es war eine sehr aufschlussreiche und interessante Unterhaltung und vor allem: Es hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich habe einige Freunde und Bekannte, welche schwul sind. Auch solche, welche HIV positiv sind. Ich habe mir nun die Zeit genommen, mir das Thema etwas näher zu bringen und vor allem mal die Seite von uns Lesben und bisexuellen Frauen zu betrachten. Wie sieht es denn bei uns aus? Sollten auch wir uns regelmässig testen? Welche Möglichkeiten zum Schutz vor HIV und anderen Geschlechtskrankheiten gibt es für Frauen, die mit Frauen schlafen?
Ich habe drei schwule Männer in meinem Leben, welche zu den engeren Freunden gehören. Also solche, mit denen ich nicht nur Party machen, sondern auch über andere Themen ganz offen reden kann. So zum Beispiel eben HIV und AIDS. Und so habe ich mich mal direkt bei ihnen erkundigt. Wie stehen die zu HIV und ist eine Angst vorhanden? Ich konnte mit meinem Freund Patrick, welcher HIV positiv ist, offen reden (Der Name wurde auf Wunsch geändert).
Seit wann hast du die Diagnose und wie hast du dich angesteckt?
Ich habe meine Diagnose seit 2010 und habe mich in einem Darkroom in Zürich angesteckt. Ich bin selber schuld, da ich bareback Sex (Analsex ohne Kondom) hatte. Da war wirklich die eigene Geilheit stärker als der Verstand.
Wie hast du die Diagnose bekommen?
Viele Neuinfizierte erleiden eine üble Grippe. Auch ich hatte ein paar Tage nach der Party Fieber und war stark erkältet. Ich realisierte da nicht, dass es Anzeichen für eine Ansteckung sein könnten oder waren. Ich ging von einer normalen Grippe aus. Es war Sommer und ich dachte, es sei wegen der Klimaanlagen. Die «Grippe» klang ab und ich lebte normal weiter. Da ich seit einiger Zeit single war und auch öfter Sex mit verschiedenen Männern hatte, liess ich mich wie gewohnt testen, einfach um sicher zu gehen. Ich dachte niemals an ein positives Resultat. Als ich dann in die Arztpraxis kam und der Arzt mir mitteilte, dass ich HIV positiv sei, brach eine Welt zusammen.
Was waren die ersten Gedanken?
Ich dachte, mein Leben sei vorbei. Ich machte einen erneuten Test. Doch natürlich war auch dieser positiv. Ich konnte es nicht annehmen. Ich und positiv? Mein Arzt riet mir, den Mann zu informieren, dass ich positiv sei, damit auch er dann die weiteren Schritte einleiten konnte. Ich hatte jedoch keine Ahnung, wie der Typ hiess und woher er kam. Es war also schwierig, ihn ausfindig zu machen. Ich liess mich für eine Woche krank schreiben. Ich war nicht im Stande, normal zu arbeiten. Ich war sehr froh um meinen Arzt. Er gab mir Kontaktadressen von Beratungsstellen und Gruppen in der Umgebung. Bei der AIDS-Hilfe fand ich dann wirklich meinen Fels in der Brandung. Ich wurde verstanden und aufgefangen. Ich rate jedem, der positiv getestet wird: Geht da hin! Mir hat es geholfen.
Wie ging es mit deiner Infektion weiter? Was waren die nächsten Schritte?
Es wurde mit mir ein Behandlungsplan besprochen. Einerseits bekam ich das Rezept für die Medikamente, welche die Verbreitung der Viren in meinem Körper unterdrücken. Ich bin dank der Medikamente unter der Nachweisgrenze. (Das HI-Virus kann nicht mehr nachgewiesen werden) Der Nachteil ist natürlich, dass ich die Medikamente ein Leben lang nehmen muss. Und das sind nicht wenige Tabletten, auch die Nebenwirkungen können unter Umständen mühsam werden. Das war auch bei mir so. Bis wir endlich die perfekte Kombi gefunden hatten, habe ich ziemlich gelitten.
Wie sieht dein jetziges Sexualleben aus? Lebst du dies noch so aus wie vor der Diagnose?
Ich bin unter der Nachweisgrenze und somit nicht ansteckend. Doch ich habe ein anderes Bewusstsein für meine Gesundheit entwickelt. Ich halte nicht mehr viel von Darkrooms und Swingerpartys. Inzwischen lebe ich mit meinem Partner monogam. Er ist übrigens HIV negativ. Wir verhüten trotzdem, dass ich nicht ansteckend bin. Ich möchte das so. Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ich meinen Partner anstecken würde.
Wie präsent ist das Thema «HIV und AIDS» in der Schwulenszene?
Es ist meiner Meinung nach sehr präsent. Es gibt an allen Partys Kondome, auch wenn es keinen Darkroom gibt. Unter den Schwulen gibt es nur wenige, welche die Ansteckungswege von HIV nicht kennen. Es ist allgegenwärtig, doch leider wird immer noch sehr fahrlässig damit umgegangen. Vor allem seit PREP und PEP aufgekommen sind. (PREP=HIV-Prä-Expositionsprophylaxe, man nimmt die HIV-Medikamente, um sich vor einer Ansteckung zu schützen. Der Schutz ist weitgehend, aber nicht zu 100% gegeben! PEP=Postexpositionsprophylaxe, man nimmt innerhalb 48h HIV-Medikamente ein, um die Ausbreitung der HI-Viren im Körper zu unterbinden und zu bekämpfen)
Fragt man den anderen nach seinem HIV-Status?
Wenn du sowieso verhütest, dann eher nicht. Ich habe das vorher so gepflegt, dass ich nicht gefragt habe. Ich selbst wurde auch nie danach gefragt. Wie es jetzt ist, weiss ich nicht.
Wie geht dein Umfeld mit deiner HIV-Infektion um?
Mein Vater weiss es bis heute nicht. Er kommt auch mit der Tatsache, dass er einen schwulen Sohn hat, nicht klar. Meine Mutter weiss es und macht sich Sorgen. Sie sieht mich praktisch im Sarg liegen. Da der Kontakt nicht sehr regelmässig ist, wird auch nicht wirklich darüber geredet. Meine Freunde habe ich nur langsam und zögerlich informiert. Du hast es ja miterlebt 😉 Du warst eine der Ersten. Es war nicht leicht und es hat mich jedes Mal so viel Überwindung gekostet. Es hat sich aber keiner zurückgezogen. Bis heute wissen es nicht all meine Bekannten.
Danke für das Kurzinterview.
Patrick und ich sind seit Teeniezeiten miteinander befreundet und ich kann mich noch sehr gut an den Moment erinnern, als er mir unter Tränen mitteilte, dass er HIV positiv sei. Ich sass mit ihm in Eiseskälte am See und wir tranken ein Bier. «Simii, ich ha di mega lieb und wet dass du öbis wichtigs weisch vo mir. Ich bin positiv!» Ich kann mich an diesen Satz so erinnern, als hätte er ihn mir vor 10 Minuten gesagt. Ich danke dir für deine Offenheit und bin stolz auf dich.
Ich habe im Verlauf meiner Recherche zu diesem Thema eine bisexuelle Frau gefunden, welche sich ebenfalls mit HIV angesteckt hat. Sie hatte bei einer Swingerparty mit zwei bisexuellen Männern und einer anderen Frau Sex und dies ungeschützt. Auch mit ihr konnte ich kurz skypen und mich austauschen.
Wie hast du dich angesteckt und wann hattest du die Diagnose?
Ich habe mich bei einer Sexparty mit wechselnden Partnern angesteckt. Meine damalige Freundin und ich besuchten öfter solche Partys und hatten immer mit den gleichen zwei Männern Sex. Sie waren ebenfalls ein Paar und bisexuell. Es passte halt einfach. Nach einer Zeit liessen wir die Verhütung weg, da die Männer uns sagten, dass sie sowieso nur noch miteinander oder mit uns Sex hätten. Wir vertrauten auf ihre Aussagen und schliefen ab da ungeschützt miteinander. Im Nachhinein sehr dumm. Jedenfalls trafen wir uns regelmässig mit dem Paar und dies auch privat bei ihnen oder bei uns Zuhause. Irgendwann wollten sie uns in einer Bar treffen um uns etwas mittzuteilen. Unser Sexverhältnis lief inzwischen über mehrere Monate. Wir gingen davon aus, dass sie es beenden wollten. Doch es war schlussendlich die Verkündung, dass beide HIV positiv getestet wurden. Meine Freundin und ich liessen uns dann noch am selben Tag in der Notaufnahme Blut abnehmen. Da meine Freundin sich nie penetrieren liess und sich während dem Sex nur auf meinen Körper beschränkte, war es auch keine grosse Überraschung, dass sie negativ war. Ich hingegen war positiv.
Was ging in deinem Kopf vor?
Ich fühlte mich so, als würde mir jemand den Boden unter den Füssen wegziehen. Ich wollte nur noch sterben. Meine Freundin und ich mussten ja dann noch 2 Monate warten, damit wir uns erneut testen konnten. Denn sie war ja nicht sicher negativ, denn wir hatten ja noch Sex vor Kurzem, natürlich ungeschützt. Wir trennten uns, weil wir es nicht mehr packten so. Die Angst ihrerseits, sich anzustecken, war zu gross. Ich stand also ohne Freundin und ohne Unterstützung da. Meine Eltern habe ich als erstes angerufen und ihnen erklärt, dass ich mit einem Mann geschlafen hätte, welcher HIV positiv sei und ich mich angesteckt hätte. Dass es ein Vierer war, verschweige ich bis heute.
Wie gehst du jetzt mit deiner Sexualität um? Informierst du deine Sexualpartner/innen?
Ich hatte bisher keinen Sex mehr. Ich bin zwar unter der Nachweisgrenze, aber ich werde von den Frauen und auch von den Männern abgewiesen, sobald ich erwähne, dass ich HIV positiv bin. Es ist mir nun ein paar Mal passiert und jetzt bin ich single und trotzdem glücklich. Ich würde jedoch niemals so weit gehen und es verheimlichen. Ich trage auch eine gewisse Verantwortung.
Ich bin selber lesbisch, befasse mich jedoch kaum mit dem Thema HIV und AIDS. Wie erlebst du die Thematik in der Szene?
Mir geht es wie dir. Es wird nur immer von den Schwulen geredet. Doch auch und vor allem bei den Bisexuellen ist es ein grosses Thema. Wir Bisexuelle haben teilweise auch Sex mit bisexuellen Männern, so wie eben meine damalige Freundin und ich. Und wenn dann die Männer auch noch ungeschützt mit anderen Männern schlafen, so steigt das Risiko. Ich denke, bei euch Lesben ist das Thema weniger da, weil ihr ja keinen Sex mit Männern habt. (Simii: Ich äussere mich ganz am Schluss zu diesem Thema)
Was rätst du anderen Frauen, welche mit bisexuellen Männern schlafen?
Erfragt den Status! Es ist so wichtig. Klar gibt es Medikamente, welche das Virus unterdrücken und somit nicht nachweisbar machen. Doch es ist ganz klar ein anderes Leben mit HIV als ohne. Und das Wichtigste überhaupt: SCHÜTZT EUCH MIT KONDOMEN!
Ich habe das Interview mit Carla (Name auf Wunsch geändert) stark gekürzt hier, da die Fragen und Antworten dem von Patrick stark ähnelten.  Ich bin froh, dass ich zwei Menschen gefunden habe, welche mit mir offen über ihre HIV-Infektion gesprochen haben, vielen Dank an euch beide!
Wie ist denn meine Meinung als Lesbe zu diesem Thema? Ich persönlich muss sagen, dass ich mir natürlich auch schon Gedanken gemacht habe, wie ich mich als Lesbe davor schützen kann, mich mit HIV oder auch anderen Krankheiten anzustecken. Bei uns sind eher Krankheiten wie Tripper, Herpes, Chlamydien oder Hepatitis ein Thema. Diese Krankheiten können sehr schnell übertragen werden (oral und vaginal, auch anal). Die Gefahr ist natürlich bei uns grösser, wenn die gleichen Sextoys benutzt werden, über Scissoring (Vagina an Vagina) oder auch über Vaginalflüssigkeit über die Hände zur anderen Vagina. Ich bin gesund, lasse mich regelmässig durchchecken. Nicht weil ich so unglaublich viel Sex habe (Ironie), sondern weil mir meine Gesundheit wichtig ist und auch nur ein einziges Mal Sex reicht um sich anzustecken.
Gibt es denn Möglichkeiten, sich als lesbische Frau beim Sex zu schützen? Männer haben Kondome, Heterosexuelle Frauen auch noch das Femidom. Wie sieht es denn bei Lesben aus?

Ein Kondom kann leicht zu einem Dental Dam umfunktioniert werden


Bei uns gibt es ebenfalls das Kondom, welches wir umfunktionieren können. Nämlich zu einem sogenannten “Lecktuch”. Dazu schneidet ihr das Kondom zurecht. (siehe Bild) Anstelle von einem Kondom gibt es noch das “Dental Dam” (siehe Bild). Dies ist das originale “Lecktuch”. Es hat keinen Eigengeschmack und ist leicht anzuwenden. Auspacken, drauflegen und los geht’s. Habt ihr weder Kondom, noch Dental Dam zur Hand so tut es auch die Frischhaltefolie.
Ich muss ehrlich sagen, als Frau über der Frischhaltefolie fühlt es sich ein wenig an, als würde ich eine Verpackung ablecken. Aber die Frau, welche unter der Folie lag, die meinte, es sei kein grosser Unterschied.

Dental Dam (sogar lila)


 
Ich empfinde das Thema als sehr wichtig und es sollte weder in der Schwulen- noch in der Lesbenszene verschwiegen werden. Testet euch regelmässig, wenn ihr öfter den Sexualpartner wechselt und noch wichtiger: Schützt euch!! Weitere Infos: www.aids.ch

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