Das Bundesgericht spricht einem Männerpaar die rechtmässige Elternschaft ab. Damit wird eine entsprechende Beschwerde des Bundesamts für Justiz gegen das positive Urteil des St. Galler Verwaltungsgerichts gutgeheissen. Der Dachverband Regenbogenfamilien kritisiert diesen Entscheid und befürchtet erhebliche Nachteile für die Familie durch den widersprüchlichen Rechtszustand.
Das Bundesgericht hat eine Beschwerde des Bundesamts für Justiz gegen das Urteil des St. Galler Verwaltungsgerichts zur Anerkennung eines Männerpaars als rechtmässige Eltern eines durch Leihmutterschaft in den USA geborenen Kindes gutgeheissen. Damit wird der widersprüchliche Rechtszustand der Familie weiter gefestigt. Der Dachverband Regenbogenfamilien kann diesen Entscheid nicht nachvollziehen.
„Wir bedauern den Umstand, dass das Bundesgericht das bestehende Familienleben nicht schützt“, sagt Maria von Känel, Geschäftsführerin des Dachverbands Regenbogenfamilien. Sie befürchtet, dass der Familie durch den rechtlich ungelösten Zustand erhebliche Nachteile erwachsen.
Die Gutheissung der Beschwerde des Bundesamts für Justiz ist unverständlich, denn sie läuft der bereits erfolgten Beurteilung der Situation des Kindes durch Fachpersonen entgegen. Die zuständige Beiständin sowie das St. Galler Verwaltungsgericht empfahlen, das Kindesverhältnis im Interesse des Kindeswohls anzuerkennen, und bewilligten die geforderte Eintragung der genetischen Abstammung des Kindes im Zivilstandsregister.
Maria von Känel vom Dachverband Regenbogenfamilien hofft, „dass für die betroffene Familie auf einem anderen Weg eine eindeutige Rechtsprechung im Interesse des Kindes getroffen und damit endlich ein angemessener Schutz gewährleistet wird“.
Tatsache ist, dass Schweizer Paare verschiedenste reproduktionstechnische Verfahren im In- und Ausland nutzen. Mit deren Hilfe verwirklichen sich immer mehr Paare, die selber keine Kinder bekommen können und/oder die Voraussetzungen zur Adoption nicht erfüllen, ihren Kinderwunsch. Die Anerkennung von zwei Vätern oder zwei Müttern als Eltern ist indes kein Novum, da ausländische Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare in der Schweiz seit längerem anerkannt werden. Zudem wird geschätzt, dass in der Schweiz bis zu 30’000 Kinder in Regenbogenfamilien aufwachsen. Auch der vom Bundesrat am 29. November 2014 in die Vernehmlassung geschickte Vorschlag, die Stiefkindadoption für Paare in eingetragener Partnerschaft und eventuell sogar für Paare in verschieden- und gleichgeschlechtlichen faktischen Lebensgemeinschaften zuzulassen, ist eine Reaktion auf die Entwicklung der öffentlichen Haltung gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in der Schweiz.
„Wir wünschen uns einen offenen und sachlichen Umgang mit dieser Thematik. Es braucht annehmbare Rahmenbedingungen, mit denen allen beteiligten Personen ein angemessener Schutz gewährleistet werden kann. Dafür sind Politik und Gesellschaft gleichermassen gefordert“, so Maria von Känel vom Dachverband Regenbogenfamilien.
>Wegweisendes Urteil schwules Paar
Auch Pink Cross zeigt sich über den Entscheid des Bundesgerichts enttäuscht. Dieser widerspreche aktuell gelebten Familienmodellen und der breiten gesellschaftlichen Akzeptanz von Regenbogenfamilien. „Nun muss ein Kind mit zwei Vätern am Küchentisch mit nur einem Elternteil im Pass aufwachsen. Das andere Elternteil wird damit juristisch inexistent gemacht“, sagt Bastian Baumann, Geschäftsleiter von Pink Cross.
Was war bisher passiert?
Das Bundesamt für Justiz (BJ) hatte ein Urteil des St. Galler Verwaltungsgerichts angefochten. Es forderte, dass die kalifornische Geburtsurkunde mit den beiden Männern als Väter nicht anerkannt wird. Im Zivilstandsregister sei nur jener der beiden in eingetragener Partnerschaft lebenden Männer einzutragen, welcher der Samenspender und damit der biologische Vater des Kindes sei, fordert das Bundesamt in seiner Eingabe ans Bundesgericht.
Das St. Galler Verwaltungsgericht hatte im Augusut 2014 ein wegweisendes Urteil gefällt: es anerkennt zwei Männer als Eltern eines in Amerika gezeugten Leihmutter-Kindes. Das Urteil wurde gefällt, obwohl Leihmutterschaft in der Schweiz verboten ist. Das Wohl des Kindes stehe an erster Stelle, wird der Entscheid begründet. Die Geburtsurkunde stützte sich auf ein kalifornisches Gerichtsurteil, wonach die Leihmutter und ihr Ehemann weder ihre Elternrechte ausüben noch ihren Elternpflichten nachkommen wollen.
Das sankt-gallische Departement des Innern schützte den Rekurs der beiden Männer und ordnete ihre Eintragung als Väter im schweizerischen Personenregister an. Dagegen erhob das Bundesamt für Justiz (BJ) beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen Beschwerde.
Das Verwaltungsgericht hiess die Beschwerde des BJ teilweise gut. Zusätzlich zu den Informationen zum rechtlichen Kindesverhältnis muss auch die genetische Abstammung des Kindes im Register festgehalten werden. Der Entscheid des Departements des Innern wurde aber nicht aufgehoben. Im Urteil vom 19. August wird die Anerkennung der beiden Männer als Väter bestätigt. Das BJ hat diesen Entscheid ans Bundesgericht weitergezogen.