«O fortuna!»: München singt!

Sie ist der stimmgewaltigste Höhepunkt des Various Voices-Chorfestivals vom 9. Bis 13. Mai in München: Die Aufführung von Carl Orffs berühmtem Werk «Carmina Burana» auf dem Odeonsplatz. Begleitet von einem 120-köpfigen Orchester werden Tausende Chormitglieder sowie Scharen nicht organisierter Sänger*innen zu einem der grössten Ensembles verschmelzen, die München je gesehen und gehört hat!
Carmina Burana. Das ist bayerische Weltmusik und seit Jahrzehnten das meist gespielte Chorwerk überhaupt. Das ist die Vertonung einer mittelalterlichen Schriftensammlung, die urbayerisch, ironisch und oft herrlich ordinär daherkommt. Das ist nicht zuletzt ein Werk, dessen Motto «Zeit der Freude!» perfekt zum bisher grössten europäischen Chorfestival der LGBT+Community passt. Lesbische, schwule, bi, und trans Personen aus ganz Europa singen und feiern an fünf Tagen mit über 90 Chören, 2700 Sänger*innen aus 19 Nationen sowie 200 Konzerten.

Politische Botschaft

Doch ebenso wie die «Carmina Burana» darauf hinweisen, dass das Leben nicht nur aus Lust und Laune besteht, so hat auch die LGBT+Gemeinschaft keineswegs nur Grund zur Freude. Trotz der Diskussion um die «Ehe für alle», die vielen den Weg zu mehr Normalität und Offenheit geebnet hat, der wahre Kampf um Anerkennung spielt sich nicht zwischen Paragrafen, sondern in den Köpfen der Menschen ab. Und die betrachten lesbische, schwule, bi und trans Menschen oft noch immer als minderwertig, diskriminieren und verfolgen sie. Zum Beispiel in der Ukraine oder der Türkei. Länder, aus denen Chöre zu Various Voices reisen, die Geschichten vom Verstecken und von Verfolgung erzählen.
«O fortuna!» Die berühmte Anrufung der Schicksalsgöttin ist aber auch ein Hinweis für die Menschen in LGBT+freundlichen Ländern, dass sich das Schicksal schnell wenden kann, dass Erreichtes immer wieder neu erkämpft werden muss und dass rechte Strömungen das Rad zurückdrehen könnten. So sind die «Carmina Burana» in der sympathischen Mitsing‐Version von Various Voices mehr als nur eine «Zeit der Freude». Sie sind auch ein vielschichtiges, politisches Statement, denn sie regen zum Nachdenken darüber an, was mit unseren Werten und Wünschen geschieht, wenn sich das Rad des Schicksals dreht.

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