|Vintage| Die Europride 2009 aus Sicht eines Heteros – Teil 2

Im Jahre 2009 gab es bereits ein QueerUp. Ähnlich wie das heutige QueerUp war die Seite als Blog konzipiert. Damals aber eben exklusiv als Blog. 
Ein Highlight aus diesem Jahr war der Erlebnisbericht des Heteros Toby. Wir freuen uns, Dir diesen Leckerbissen, 8 Jahre später, nochmal präsentieren zu dürfen!


Der zweite Tag (Samstag)

Bild von der Europride 2009 (Foto: Fabio Huwyler)


Nach ein wenig weniger Schlaf als ursprünglich mal geplant (was mir für den Abend ein wenig Sorgen machte), machte ich mich wieder auf den Weg nach Zürich. Im Zug setzte ich mich (zu diesem Zeitpunkt wusste ich dies noch nicht) zu einer Dame von MonaLila. Aufgrund meines Fels-T-Shirts kamen wir ins Gespräch, wie sich herausstellt, ist ihre Mutter langjähriges Mitglied von Fels. Und so hatte ich erneut eine unerwartet “kurze” Zugfahrt. Das Wetter in Zürich war durchzogen, immer wieder regnete es ein wenig.
Als ich den Bahnhof verlasse, laufe ich wieder einem Typ der Familienlobby entgegen, der gerade einen Touristen bequatscht. Dieses Mal reagiere ich schneller: Als er sein Gespräch gerade beendet hat, laufe ich auf den Touristen zu, drücke ihm einen Fels/GLL Flyer in die Hand, und erkläre ihm die “Andere Seite”. Irgendwie fand dies der Typ der Familienlobby nicht so lustig, er war, als ich mich umdrehte, auf alle Fälle verschwunden. Wenn ich mich nicht täusche, war es übrigens der gleiche Typ wie am Vorabend beim Stadtfäscht. Hat die Familienlobby tatsächlich nur 1 Mitglied das Flyer verteilen kann??
Beim Stand angekommen, war ich der Erste von Fels, kurz nach mir trafen S., F., und mein Bruder S. ein. Der Stand wurde wieder eingerichtet, und die Überbleibsel des Gewitters der letzten Nacht wurden beseitigt. Anschliessend ging es mit F. und S. auf eine kleine Tour durch die Stadthausquai-Anlage. Beendet wurde dieser kleine Spaziergang durch das Mittagessen von F. und S. Eigentlich ja auch nichts spezielles, wenn das Essen nicht aus gebrannten Mandeln und Soft-Ice bestanden hätte ;-).
Nach der Rückkehr zum Stand ging es dann wieder los mit Unterschriften sammeln. Es war schwieriger als am Vorabend, da es nun wesentlich mehr Touristen hatte, aber es kamen wieder einige Unterschriften zusammen 🙂

Bild von der Europride 2009 (Foto: Fabio Huwyler)


Um 14.15 machte ich mich dann zusammen mit S. auf den Weg in Richtung Parade-Start. Dort angekommen waren wir (oder zumindest ich) positiv überrascht von der Anzahl Personen, welche dort waren. Als erstes suchten wir den Wagen von Fels/Gll, als zweites organisierten wir uns ein Cüpli (wie schon mal geschrieben: Wenn schon, dann schon 😉 ). Während dem Cüpli trafen wir auch noch einige alte Bekannte (an dieser Stelle ein Gruss nach Rotterdam, ich hoffe du hattest einen schönen Aufenthalt in der Schweiz?) und ich machte auch noch neue Bekanntschaften (wie schon am Vortag). Irgendwann war es dann Zeit, zum Wagen zurückzukehren und die letzten Vorbereitungen zu treffen. Kurz vor dem Paradenstart dann ein Wetterumbruch. Nein, liebe Familienlobby, es begann nicht zu regnen, sondern die Sonne kam und es wurde sogar ziemlich warm. Und dann war auch irgendwann schon der Paradenstart. Gut gelaunt zog der bunte Trupp los. Das Flyer verteilen ging sehr gut, auch wenn die Anzahl Verteiler bei unserem Wagen evtl. ein wenig zu hoch war 😉 Die Zuschauer waren ja wegen der Parade da und reagierten auf die Flyer gelassen. Mit den Passanten war es doch ziemlich speziell, einige reagierten abweisend, andere überrascht und einige sogar erfreut. Am meisten überrascht hat die Leute aber, wenn sie sagten „…aber ich bin Hetero…“ und ich sie dann auf die Fels Seite des Flyers aufmerksam machte. Mit dem haben irgendwie die wenigsten gerechnet, und einige Eltern waren sogar dankbar für diesen Hinweis.
Gegen Schluss der Parade machte sich so ein komisch, verbrannter Geruch breit. Wir rätselten alle wo dies mitten in
Zürich herkommen könnte. Die Lösung hatten wir wenige Minuten, bzw. wenige Meter später: Der Wagen vor uns hatte einen technischen Defekt und musste geschoben werden. Und dann kam es, wie es kommen musste. Es begann zu regnen, und zwar nicht nur ein wenig, sondern so richtig heftig. Zum Glück passierte dies alles kurz vor Parade-Ende, total durchnässt waren die Meisten dann aber trotzdem. Also wurde so schnell wie Möglich die Rückkehr zum Fels-Stand in Angriff genommen. Beim Fels-Stand angekommen, wechselte ich zuerst einmal meine Socken. Das mir dies für den Rest des Abends nicht viel nützen wird, merkte ich einige Stunden später, aber dafür konnten sich 4 Personen (also eigentlich vor allem 2 davon) köstlich amüsieren :-). Kurze Zeit später trafen dann auch der Luzerner und die Zugerinnen (bzw. Frisch-Zürcherinnen) ein. Nach kurzer Diskussion über den weiteren Verlauf des Abends verabschiedete ich mich von meinen Fels-Kollegen und machte mich zusammen den InnerschweizerInnen auf den Weg Richtung Coop.

Bild von der Europride 2009 (Foto: Fabio Huwyler)


An dieser Stelle mein persönliches Europride Fazit, alles was anschliessend folgt, hat nichts mehr mit der Europride direkt zu tun, und dient eher als persönlicher Abschluss eines genialen Wochenendes.
Fazit: Ich habe gemerkt, dass Homosexualität immer noch ein sehr umstrittenes Thema ist in der Bevölkerung. Die Verwunderung von Mitarbeitern und teils auch von Bekannten, wenn sie erfuhren für was ich mich das letzte Wochenende einsetzte, überraschte mich sehr. Ebenfalls überraschte es mich, dass ich teils sofort als Schwul gestempelt wurde, nur weil ich dazu stand, am Anlass Europride teilzunehmen. Noch viel mehr überrascht hat mich allerdings der Tonfall, in dem ich jeweils gefragt wurde „Aber du bist doch nicht Schwul??“. Ich kann diesen Tonfall nicht genau beschreiben, aber irgendwie hatte er oft etwas von Entsetzen. Und für mich ist dies total absurd, was ist so schrecklich daran, wenn’s denn so wäre?
Es gibt aber auch noch die andere Seite: Am Samstag Mittag waren 4 Lesben aus Deutschland bei uns am Stand. Wie so oft kam man ins Gespräch, und ich war ein wenig schockiert, über die Haltung der 4 Damen zum Thema Heteros. Weshalb sollte ich mich rechtfertigen müssen, dass ich eine „Hete“ bin? Wenn man Toleranz und Akzeptanz verlangt, finde ich ein solches Verhalten nicht unbedingt fördernd.
Und nun zurück zum Samstag:
Nach der Standarbeit in den Coop am Central. Nach einigen Irrwegen haben wir alles was wir brauchen, also ab in die WG. Dort mal raus aus den Sachen (also den Socken :-D) und ab ins Wohnzimmer. L. machte sich dann daran, uns was leckeres zu kochen, während N. und ich das Internet nach Partys am Abend durchsuchten. Nach dem Essen, welches übrigens sehr fein war, Danke an die Köchin, ging es an die Lagebesprechung wegen dem Abendprogramm. Am Schluss einigten wir uns auf die Purplemoon-Party. Nach gefühlten 4 Stunden 😉 , an denen sich die unterdessen 4 Ladys für den Ausgang bereit machten, ging es los Richtung Paradeplatz. Bei der Party angekommen, hatte es da eine riesige Schlange, und das rund 1.5 Stunden nach Türöffnung. Nach kurzer Diskussion beschliessen wir uns für Plan B. Langer Rede kurzer Sinn: ¾ Stunden später waren wir wieder vor der gleichen Party. Warum auch immer spielt keine Rolle, denn es war im Nachhinein die perfekte Entscheidung.
Also wieder Schlange stehen, oder eben auch nicht, denn die gewiefte N. fand einen schnelleren Weg 😛 Am Eingang dann das grosse ? der 3 Hetero-Singles: Grünes Leuchtband (=Single) oder Rotes Armband (=Vergeben). Wir entschieden uns für Grün, eine Premiere für mich, denn bis anhin war ich immer Vergeben wenn ich an einer Purplemoonparty war, also hatte sich diese Frage gar nie gestellt. Nach dem wir an der Party waren, begann das grosse Warten an der Garderobe. Da ich Glück hatte, ziemlich schnell an der Garderobe zu sein, konnte ich die Wartezeit mit einem kurzen Gespräch mit einem Mitarbeiter der PM-Party nutzen, den ich am Vorabend beim Unterschriftensammeln kennenlernte. Irgendwann waren wir komplett, und dann ging es ab in den Saal. Es war extrem cool, eine grosse Bar, eine erhöhte Bühne und auf der Seite überall Sofa, eine 100x bessere Location als die Kaserne in Zürich jeweils. Der Sound war gut, und nach dem obligaten Gruppenfoto ging es Richtung Bühne. Auf der Bühne hatte ich dann die Möglichkeit, zu sehen was geschieht, wenn man mit einem grünen Leuchtband an einer solchen Party ist. Kurz darauf kamen die Stripper von Coyote-Ugly, die den Svedka-Wodka promoteten. Es war irgendwie sehr strange, dass an einer vorwiegend von Homosexuellen besuchten Party eine Frau nach der Anderen auf die Bühne geholt wurde, zum die Stripper von nahem zu begutachten. Einigen Damen war es auch sichtlich nicht wohl auf der Bühne. Aber durch den Svedka am Ende wurden sie dafür wieder entschädigt. Irgendwie ging durch die Strippereinlage sowie den Svedka-Ausschank in Coyote-Ugly Manier ein Ruck durch die Anwesenden, und die Party ging noch ein wenig mehr ab als zuvor. M. und S. machten sich dann bald mal auf den Heimweg, L., N., und ich blieben noch, bis die Coyote-Ugly Crew ein zweites mal kam. Und durch einen kleinen Stups gingen die beiden Ladys dann auch auf die Bühne am Schluss, und ich würde sagen, es hat sich gelohnt 🙂 Nach dem 2ten Auftritt ging es dann Richtung Bahnhof. Dort verabschiedete ich mich von L. und N. und ging zum Nachtzug. Und meine Heimreise begann, wie könnte es auch anders sein, mit einem Gespräch mit einer wildfremden Frau, und wieder war die Zugfahrt kurzweilig!
Ein Dank an alle Beteiligten für diese genialen 2 Tage.


Zum Autor: Toby lebt heute mit Frau und Kind in der Innerschweiz. Er hat sich in der Vergangenheit und auch heute immer für uns LGBTIQ+ eingesetzt. Schön, dass es solche Menschen gibt! Die Neuveröffentlichung dieses Textes hat er uns erlaubt.


Moderator: Family Dinner
About the Author
Fabio ist im Kanton Zug aufgewachsen und lebt in Bern – seit 2013 in eingetragener Partnerschaft. In seiner Freizeit interessiert er sich für Audio, Video und Gadgets.
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