Ausstellung: DISRUPTIVE PERSPECTIVES

Die Fotografie ist ihrem Wesen nach ein exkludierendes Medium. Durch vier Ränder begrenzt, zeigen Fotografien Ausschnitte der Welt und reduzieren die grenzenlose Komplexität der erlebten Realität auf eine zweidimensionale Illusion. Für einen Teil der Menschen wird der Ausschluss von der Allgegenwärtigkeit der visuellen Kultur nicht nur durch das definiert, was auf der einen oder anderen Fotografie erscheint. Die Häufigkeit des Machtgewinns, mit der die Ausgrenzung einer Existenz (derer, die sich vor allem ausserhalb des besagten Rahmens bewegen) einhergeht, vermag das Dasein eines Jeden auf dieser Welt zu entlegitimieren. Die Folge sind konkrete Auswirkungen auf die gelebten sozialen Interaktionen.
Bis vor kurzem waren Sexualität und Geschlecht im allgemeinen Bewusstsein als konstante binäre Konzepte verankert. Gegen Ende der 1960er Jahre lässt sich unter Aktivist_innen eine deutliche Häufung öffentlicher Auftritte verzeichnen, die alternative Erzählweisen für geläufige Darstellungsformen entwickeln. Kunstschaffende wie Eleanor Antin, Joan E. Biren (JEB), Nan Goldin, Gran Fury, Peter Hujar, Zoe Leonard, Robert Mapplethorpe und Catherine Opie schufen Kunstwerke, Plakate, Flugblätter und Postkarten, die auf kraftvolle Weise den öffentlichen Diskurs mit neuen Darstellungen von Identität, Sexualität und Menschenrechten bereicherten. Entgegen der Bildsprache der visuellen Kultur, die durchwegs die vorherrschenden gesellschaftlichen Normen untermauerte, stellten sich diese Werke kämpferisch gegen Ideologien, die in der bestehenden Bildwelt verankert waren.
Eine neue Generation von Fotograf_innen – viele davon sind in der Ausstellung Disruptive Perspectives und der dazugehörigen Publikation vertreten – sucht weiterhin nach neuen Wegen, um Geschlecht, Identität, Beziehungen und Selbstsein sichtbar zu machen und fügen der Grundlagenarbeit ihrer Vorgänger_innen weitere Nuancen hinzu. Die Nutzer_innen dieses konsequent Bewegungslosen finden Strategien, um Identität und Geschlecht als nicht biologisch bestimmte Gegebenheiten zu untersuchen. Vielmehr handelt es sich dabei um Ausprägungen, die über die Zeit innerhalb eines breiten Spektrums von Möglichkeiten verhandelt werden. Ihre Arbeiten bekämpfen engstirnige Vorstellungsweisen, indem sie das Publikum – seien es Einzelpersonen oder Gruppen – zu seinen Vorstellungen von Individualität wie auch Intimität befragen und sich kritisch damit auseinandersetzen, wie das Fotografische Nuancen der Identität aufzuzeigen vermag.
Die Trans*-Schriftstellerin Jennifer Finney Boylan betont, dass nicht der Wandel von Mann zu Frau die tiefgreifendste Änderung bei ihrer Geschlechtsumwandlung war, sondern sie zu einer Person wurde, die kein gut gehütetes Geheimnis mehr wahren musste. Daher vertritt sie die Meinung, dass die Erfahrungen als Transmensch ein sehr anschauliches Modell von etwas Allgemeingültigem sind. «Wer hat noch nie ein Geheimnis gehütet und sich gefragt, ob sie oder er den Mut aufbringt, dieses zu lüften? Wer hat sich noch nie Gedanken gemacht, ob es eine bessere, echtere Version von ihm oder ihr selbst geben könnte? Gibt es etwas Menschlicheres als den Wunsch nach Anerkennung?» Die Ausstellung Disruptive Perspectives schafft ein Spannungsfeld zwischen diesem Verlangen nach Anerkennung und der erlebten Marginalisierung, Unterdrückung und Gewalt. Die Arbeiten von Barbara Davatz, Zackary Drucker und Rhys Ernst, Jess T. Dugan, Alexandre Haefeli, Laurence Rasti, Leonard Suryajaya und Lorenzo Triburgo schildern ergiebig Wünsche, Träume und Schwierigkeiten. Sie verdeutlichen das menschliche Streben nach dem eigenen, authentischen Selbst und dem Lenken des öffentlichen wie auch privaten Ausdrucks der Identität. Diese Kunstschaffenden bespielen den Raum zwischen Gültigkeit und Undeutlichkeit mit Feingefühl. All dies passiert in einer Zeit, in der das Spektrum an Identitäten erweitert wird, diese sichtbarer und stärker anerkannt werden. Trotz alledem wird Gleichberechtigung erfahrungsgemäss kaum erreicht. Mit der Bereitschaft, uns durch ihre Arbeiten Einblicke in ihr Privatleben und das ihrer Verbündeten zu gewähren, fordern die Kunstschaffenden unsere Empathie. Die Werke zeigen – manchmal triumphierend, manchmal traurig oder erschreckend – die Palette des Möglichen in Bezug auf Sexualität und Geschlecht. Darin wiederspiegeln sich für uns alle die permanenten Einflüsse durch uns selbst, durch andere und durch Bilder.
Die Ausstellungen und die Publikation sind das Resultat der kuratorischen Zusammenarbeit zwischen Allison Grant, Assistenz-Kuratorin für Ausstellungen und Vermittlung am Museum für zeitgenössische Fotografie am Columbia College Chicago und Nadine Wietlisbach, Direktorin des Photoforum Pasquart in Biel, Schweiz. Die beiden Ausstellungen werden im Herbst 2017 zeitgleich in beiden Institutionen gezeigt. Die teilnehmenden Künstler*innen und Künstler repräsentieren Sichtweisen aus der ganzen Welt, mit einem Fokus auf amerikanische und schweizerische Fotograf_innen, die im gemeinsamen kulturellen Austausch aufeinandertreffen. Die Publikation umfasst zwei Essays, die ein besonderes Augenmerk auf die dringlichsten Anliegen der Ausstellung legen. Geneva Moser beleuchtet die Ambivalenz der queeren Präsenz, indem sie die Beziehung zwischen Sichtbarkeit und politischer Macht beschreibt. Meredith Talusan untersucht, in welcher Form Kleidung und Style über Äusserlichkeiten hinausgehen und die Aspekte eines Individuums und seiner Selbstwahrnehmung tiefgründiger formen.
 
Jess T. Dugan (*1986 in Biloxi, MI)
Lebt und arbeitet in Saint Louis, Missouri

Jess T. Dugan, Preston, 52 | East Haven, CT, from the series To survive to this Shore, 2016, various sizes


Jess T. Dugan interessiert sich für die Repräsentation der LGBTIQ*Gemeinschaft und hat eines ihrer Projekte mit Dr. Vanessa Fabre, Assistenzprofessorin an der Brown School of Social Work der Washington University in Saint Louis realisiert. Die 2013 begonnene Serie To Survive on this Shore – benannt nach einer Zeile aus dem Lied Talk to Me Now von Ani DiFranco – geht von der Feststellung aus, dass in den Medien und in den Künsten transgender und nicht genderkonforme Menschen nur sehr selten durch ältere Personen repräsentiert werden. Die Arbeit von Dugan und Fabre versucht diese Lücke zu füllen. Sie haben mehr als 80 über 50-jährige Transmenschen getroffen, interviewt und portraitiert. Deren Lebensgeschichten sind sehr unterschiedlich und decken auf, wie komplex das Leben ist, wenn das Geschlecht nicht der Identität entspricht. Dennoch lässt sich eine Tendenz feststellen: Die Mehrheit der Personen haben ein ihrem biologischen Geschlecht entsprechendes Leben geführt, hatten Kinder, verfolgten teils militärische Karrieren. Als sie sich einem gewissen Alter näherten, entschieden sie sich, sich von bestehenden Zwängen zu befreien und endlich ihre wahre Geschlechtsidentität auszuleben. Diese späten Entscheidungen lassen sich durch den gesellschaftlichen Druck erklären. Die Trans*-gemeinschaft wird immer sichtbarer und ist mittlerweile stärker akzeptiert als noch vor zehn Jahren. Die Interviews und Portraits sind aufschlussreich, die emphatischen Bilder ergeben zusammen mit den erzählten Geschichten ein Ganzes. Dugan unterstreicht so, dass diese mittlerweile älteren Personen all jenen Menschen, die sich nicht mit einem binären männlichweiblichen Spektrum identifizieren können, einen Weg für mehr Toleranz eröffnet haben. Diese Arbeit ist eine Hommage an sie.
Dugan erlangt 2007 einen Bachelor in Fotografie am Massachusetts College of Art and Design und schliesst 2010 einen Master in Museologie an der Harvard University und 2014 einen weiteren in Fotografie am Columbia College Chicago ab. Sie gründete 2015 das Strange Fire Artist Collective mit, welches die Arbeit von Künstler_innen, LGBTIQ*-Menschen wie auch anderer Minoritäten unterstützt.
 
Laurence Rasti (*1990 in Genf, Schweiz)
Lebt und arbeitet in Lausanne

Laurence Rasti, from the series Il n’y a pas d’homosexuels en Iran, 2014-2016, 65 x 80 cm


Der ehemalige Präsident Irans, Mahmoud Ahmadinejad, verkündet 2007 während eines Vortrags an der Columbia Universität: «Es gibt keine Homosexuellen im Iran.» Dieser Satz wird zum Titel von Laurence Rastis Arbeit Il n’y a pas d’homosexuels en Iran. Selbstverständlich gibt es Homosexuelle im Iran, selbst wenn Verbindungen zwischen Personen des gleichen Geschlechts, auch einvernehmliche, mit der Todesstrafe belegt werden. Den Betroffenen bleibt keine Wahl: Entweder müssen sie fliehen oder sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen. Transsexuelle und deren Sexualität scheinen derweilen toleriert zu werden (obwohl auch hier ständig Gefahren und Schwierigkeiten lauern). Wenn es also keine Homosexuellen im Iran gibt, liegt es daran, dass sie unsichtbar bleiben oder aus dem Land fliehen. Rasti, als Schweizerin mit iranischer Herkunft, erstellt sensible Portraits von homosexuellen Iranerinnen und Iranern, die auf ihrer Flucht durch die türkische Stadt Denizli reisen. Trotz des tragischen Hintergrundes zeigt die Serie keine Traurigkeit. Die Personen tragen ihr persönliches Drama nicht nach aussen – im Gegenteil – die Paare zeigen zärtliche Gesten. Jene, die ihre Anonymität wahren wollen, verstecken ihr Gesicht hinter Ballons und bunten Stoffen, die ihre Identität auf poetische Weise schützen. Die Geheimhaltung der Identität erinnert uns daran, dass ihr Leben bedroht ist und dass das Verheimlichen eine Frage von Leben und Tod ist. Die Künstlerin vermittelt mit der Buntheit die leuchtende Zukunft dieser Individuen, die dank ihrer Flucht bald ihre Liebe öffentlich ausleben können, sie müssen sich nicht in der Dunkelheit verstecken. Il n’y a pas d’homosexuels en Iran wird so zu einer hoffnungsvollen Botschaft.
Rasti hat in Genf an der CFPAA und in Lausanne an der ECAL studiert, wo sie 2014 den Bachelor in Fotografie abschloss. Ausserdem war sie 2015 für den Aperture Portfolio Preis nominiert und 2016 Gewinnerin des Swiss Design Awards in der Kategorie Fotografie.
 
Lorenzo Triburgo (*1980 in Bronx, NY)
Lebt und arbeitet in New York

Lorenzo Triburgo, Hot Air Aerial 01, from the series Policing Gender, 2015, 40.7 x 61 cm


Lorenzo Triburgos Serie Policing Gender untersucht Masseninhaftierungen in den USA aus einer metaphorischen und queeren Perspektive. LGBTIQ*-Menschen werden häufiger Opfer von diskriminierenden und hasserfüllten Äusserungen, Gewalt und Verfolgung. Denken wir beispielsweise an die Polizeieinsätze der 1950er und 1960er Jahre in Schwulen- und Lesbenbars. Des Weiteren zeigen Studien, dass LGBTIQ*-Personen aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Ausrichtung nicht nur einem höheren Risiko ausgesetzt sind, verhaftet zu werden, sondern auch zu längeren Gefängnisstrafen verurteilt werden als Cisgeschlechtliche oder Heterosexuelle. Diese Realität wird bei afroamerikanischen und hispanischen LGBTIQ*-Personen umso drastischer. Triburgos Fotografien bilden nicht die Realität in den Gefängnissen ab, sondern zeigen Faltenwürfe und Luftaufnahmen, in denen der Mensch abwesend ist aber seine Spur sichtbar bleibt. Es ist genau diese Abwesenheit, die der Künstler hervorheben will. Eingesperrt verschwinden LGBTIQ*-Personen aus der Geschichte und der Gesellschaft. Triburgo konfrontiert uns also mit einem Sinnbild: Draperien erinnern an Bilder von Adligen aus der Renaissance, die mit grosser Sorgfalt inszenierten Hintergründe bescheinigen den Prunk und Wohlstand des Portraitierten. Die Abwesenheit des Menschen fällt daher noch stärker auf. Die aus einem Heissluftballon aufgenommenen Luftbilder gleichen den Aufnahmen von Überwachungskameras. Die Leichtigkeit ihrer Ausführung, gepaart mit ihrer unheimlichen Ausstrahlung bestärken die ungleiche Machtverteilung, die Triburgos Werk auszeichnet.
Triburgo hat 2002 einen Bachelor in Fotografie und Gender-Studies an der New York University und 2005 einen Master an der School of Visual Arts in New York erlangt. Er ist Träger des Pride Photo Award Amsterdam 2012. Als Aktivist ist er für die Anliegen der LGBTIQ*-Community tätig und bietet zu verschiedenen verwandten Themen Kurse an der Oregon State University in Corvallis an.
 
Zackary Drucker (*1983 in Syracuses, NY) & Rhys Ernst (*1982 in Pomona, CA)
Beide leben und arbeiten in Los Angeles

Zachary Drucker & Rhys Ernst, She Gone Rogue (still), 2012, digital video, 22 min


Die Videoarbeit She gone rogue entführt in träumerischen Szenen in eine parallele Dimension, in der sich Zeit, Raum, Alter und Geschlecht auflösen. Zackary Drucker und Rhys Ernst schaffen mit She gone rogue ein trans*-feminine Version der klassischen Heldensaga. Nach dem Ende einer Liebesbeziehung sucht «Darling» (Zachary Drucker) zutiefst unglücklich bei ihrer Tante, «Auntie Holly» (transgender Schauspielerin und vorherige Warhol Muse Holly Woodlawn), nach tröstenden Worten. Stattdessen findet sie sich in einer Welt der Fernsehpredigerin und Medium, «The Whoracle of Delphi» (gespielt von der gender-queeren Performancekünstler_in Vaginal Davies), wieder. Das Orakel spricht direkt zur traurigen Heldin und lässt sie eine Pause von der Realität erleben: Wie die Heldinnen in Alice in Wonderland oder The Wizard of Oz betritt «Darling» ein magisches Wunderland mit märchenhaften Wäldern, dass sie im Gegensatz zu Alice oder Dorothy nicht mehr verlassen möchte. Ihre Persönlichkeit beginnt sich zu multiplizieren und auszudehnen –  Maya Deren’s Meshes of the Afternoon dient hierbei als Vorbild. Das visuelle Abenteuer endet im Zuhause der «Mother Flawless Sabrina» (gespielt von Jack Doroshow, New Yorker drag queen) und einer mit Diamanten besetzten Vagina. Die Videoarbeit wurde vom Hammer Museum in Los Angeles produziert und feierte 2012 während der Ausstellung Made in L.A.  seine Premiere.
Drucker hat 2007 einen Master in Fotografie und Medien am California Institute of the Arts in Santa Clarita erlangt. Gemeinsam mit Rhys Ernst dokumentierte Zachary Drucker in der Serie Relationship die physischen Veränderungen, die das Paar in den Jahren ihrer Transformation, 2008-2013, durchlebte. Drucker ist heute eine Transfrau und Ernst ein Transmann. Ernst schloss 2011 einen Master in Film und Video am California Institute of the Arts ab. Drucker ist Produzentin der Web-Serie Transparent, welche den Alltag eines Familienvaters aufzeigt, der sich als Frau identifizieren möchte. Ernst ist ebenso Produzent und Aufnahmeleiter der Serie und hat dafür den Vorspann umgesetzt.
 
Leonard Suryajaya (*1982 in Medan, Nord Sumatra, Indonesien)
Lebt und arbeitet in Chicago

Leonard Suryajaya, Paper House, from the series False Idol, 2017, various sizes


Der Ursprung Leonard Surayajayas Arbeit ist die komplexe Geschichte seiner Herkunft: Als indonesischer Bürger mit buddhistischer Konfession und chinesischer Herkunft wächst er in einem vorwiegend muslimischen Land auf. Vor diesem bunt gemischten kulturellen Hintergrund untersucht der queere Künstler Fragen zu Intimität, sexueller Orientierung und dem Gefühl des Nichtdazugehörens, des sich in seinem Umfeld Fremdfühlens. Ausgangspunkte für den Künstler sind sein eigener Körper und sein Äusseres als Kampfzone, um verschiedene kulturelle Praktiken in der globalisierten Welt zu hinterfragen. Seine dichten Kompositionen, in denen seine Familie und sein Partner auf einzigartige Weise inszeniert werden, zeichnen sich durch einen performativen Charakter aus. Zahlreiche Farben und Motive verschmelzen zu verwirrenden ›Tableaux vivants‹. Seine Fotografien erlauben ihm, den Blick auf seine alltägliche Welt zu vermitteln. Eine Welt, in der sich eine Vielzahl kultureller Codes überlagern und somit eine Spannung zwischen seiner Identität und den Erwartungen seiner Familie und der Gesellschaft entsteht.
Nach einem Bachelor in performativer Kunst 2013 an der California State University und einem Master in Fotografie 2015 an der School of the Art Institute in Chicago, erhielt Suryajaya 2015 den Preis Claire Rosen und Samuel Edes für aufstrebende Künstler und 2016 ein Stipendium der Robert Giard Stiftung.
 
Barbara Davatz (*1944 in Zürich, Schweiz)
Lebt und arbeitet in Steg

Barbara Davatz, Fabian und Regula, from the series As Time Goes By 1982-2014, 1988, 38.5 x 30 cm


Barbara Davatz fotografierte über 30 Jahre lang junge, verliebte, befreundete oder verwandte Paare. Dieses Langzeitprojekt zeigt auf umfassende Weise die Vielfältigkeit der Menschen und wie sie sich vor der Kamera zeigen und fotografieren lassen. As Time Goes By macht die Identitäten dieser Personen sichtbar, zeigt deren Entwicklung und erzählt im weiteren Sinne ein Bruchstück der zeitgenössischen Geschichte. Die strenge Formensprache lässt uns die zum Teil sehr subtilen Veränderungen umso stärker wahrnehmen. Der gleichbleibende neutral-graue Hintergrund hebt die Gesichter und Kleidung hervor und unterstreicht die Charakterzüge eines jeden. Inspiration für diese Arbeit ist das Zusammentreffen der Fotografin mit dem androgynen Paar Nicola und Kurt zu Beginn der 1980er Jahre. Als sie die beiden zum ersten Mal sieht, tragen sie einen blonden Bürstenhaarschnitt und schwarze Kleidung. In der Folge konzentriert sich Davatz auf 12 Paare, denen sie sich in einem klaren und simplen Konzept annähert. Sie verfolgt dieses Set in Intervallen von mehreren Jahren – 1982, 1988, 1997 und 2014. Einige Paare haben sich mittlerweile getrennt, neue Beziehungen wurden aufgebaut, Freundschaften sind weiterbestanden, neue Partner sind dazugekommen und in einigen Fällen wurden aus Paaren Familien.
Davatz wurde in der Schweiz geboren, wuchs in den Staaten auf und kam 1963 zurück in die Schweiz. An der Kunstgewerbeschule Zürich erlernte sie von 1965 bis 1968 die Fotografie. Danach arbeitet sie als Freelance-Fotografin und führt verschiedene Aufträge für Magazine, Werbung, Kinos und Tonbildschauen aus, während sie sich auf Portraits spezialisiert. Parallel verfolgt sie auch einige persönliche Arbeiten, insbesondere konzeptuelle Portraits und Landschaftsserien.
 
Alexandre Haefeli (*1992 in Santa Monica, CA)
Lebt und arbeitet in Lausanne und Paris

Alexandre Haefeli, from the series The company of Men, 2016, various sizes


In The Company of Men setzt sich Alexandre Haefeli mit der Figur des Mannes und der Repräsentation seiner Sinnlichkeit auseinander. Lust wird in unserer Gesellschaft üblicherweise durch die Darstellung
von nackten weiblichen Körpern vermittelt. Nackte laszive Männer hingegen sind wenig präsent. Haefelis Bilder befragen die männliche Erotik, zelebrieren den männlichen Körper und verbinden ihn mit der bereits vorhandenen Ikonografie. Er interessiert sich vor allem für den Begriff des Epheben und spielt auf humorvolle Art mit den Codes dessen Darstellungsweise: Die Männer in The Company of Men scheinen zerbrechlich, zart, spitzbübisch und sensibel. Sie sind umgeben von Blüten, astralen Nimbussen und strahlen Qualitäten aus, die gewöhnlicherweise Frauen zugeschrieben werden. Dies generiert eine gewisse Distanz zwischen der Arbeit des Künstlers und der traditionellen Darstellung von Männlichkeit. Eine Spannung, die durch die Eindeutigkeit gewisser Bilder unterstrichen wird. Männliche Attribute – oft mit Potenz verbunden – verändern sich mit jeder Epoche und variieren in Ort und Kultur, denn es handelt sich hierbei keinesfalls um ein unveränderliches und starres Konzept. Die Serie erinnert uns daran, dass es möglich ist, seine Identität als Mann auszuleben und auszudrücken – auch ausserhalb der Klischees, die allgemein mit Männlichkeit assoziiert werden.
Haefeli hat 2015 einen Bachelor in Fotografie an der ECAL abgeschlossen. Seine Arbeit wurde im Musée d’Elysée in Lausanne, am Festival Voies Off an der Rencontre d’Arles und in der Ballery in Berlin gezeigt. 2016 wurde er mit dem Swiss Photo Award (freie Kategorie) und dem Creative Award (Kategorie Persönliches) in London ausgezeichnet.


DISRUPTIVE PERSPECTIVES
22. September – 19. November
im Pasquart Photoforum
Seevorstadt 71-Faubourg du Lac
CH-2502 Biel/Bienne
www.photoforumpasquart.ch
T +41 32 322 44 82

Moderator: Family Dinner
Wer steckt dahinter?
Fabio ist im Kanton Zug aufgewachsen und lebt in Bern – seit 2013 in eingetragener Partnerschaft. In seiner Freizeit interessiert er sich für Audio, Video und Gadgets.
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