Das Schwule Museum* in Berlin zieht eine schlechte Bilanz für Frauen* – auch innerhalb unserer Community: Posten und Privilegien, Ressourcen, Rederechte und Sichtbarkeit sind hier genauso ungerecht verteilt wie in der Mehrheitsgesellschaft. Diese bittere Realität veranlasste das Schwule Museum* für 2018 das «Jahr der Frau_en» auszurufen.
In den Räumlichkeiten des Museums sollen in diesem Jahr in Ausstellungen, Workshops, Vorträgen, Filmreihen und Aktionen die Feminismus-Frage neu aufgerollt und ausdrücklich vor dem Hintergrund feministischer Kritik betrachtet werden. Die Konstruktionen sozialer Ungleichheit und die Interferenzen verschiedener, konkurrierender und sich ergänzender Diskriminierungsformen aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung und unterschiedlicher Fähigkeiten werden in den Fokus gerückt – ein Novum für die Ausstellungspraxis im Schwulen Museum*, wo seit der Gründung vor allem Geschichten von weissen CIS-Schwulen erzählt wurden. Dies ist historisch gewachsen und bewegungsgeschichtlich begründbar, aber seit einigen Jahren in Veränderung. Mit dem nun ausgerufenen Jahr der «Frau_en» will sich das Schwule Museum* mit seiner eigenen Geschichte und Community auseinandersetzen.
Dafür werden queere Weiblichkeiten beschrieben, wie beispielsweise in einer Rauminstallation von der Künstlerin und Medienwissenschaftlerin Claudia Reiche zur Hijra-Kultur Indiens. Ausserdem gibt es Ausstellungen zu queer-feministischen Utopien und zur Geschichte des Lesbischen Aktionszentrums LAZ. Kuratorin Birgit Bosold fragt ausserdem in ihrer Ausstellung danach, ob es eigentlich lesbische Kunst gibt. Dazu gibt es Veranstaltungsreihen, Filme und Diskussionen, ein Mini-Symposium zu Ehren von Monique Wittig, einer grossen lesbischen Schriftstellerin und Stichwortgeberin für die queere Theoriebildung und natürlich die Einrichtung einer Dyke-Bar im Café des Museums.
Eröffnet wird das «Jahr der Frau_en» von der Filmreihe «12 Monde», kuratiert von der Künstlerin Vera Hofmann: Für ein Jahr wird ein Raum des Museums belegt und verwandelt sich in eine Filmlounge. Das Programm wechselt zu jedem Neumond; gezeigt wird eine Auswahl internationaler Film- und Videoarbeiten von Feministinnen.
Für das Schwule Museum* sei das Jahr ein Versuch, einer Utopie näher zu kommen. In Hinblick auf die Lebensrealitäten von Frauen*, Lesben, trans* und inter* Personen schätzt das Schwule Museum* die Erfolgsaussichten gering ein – macht sich aber dennoch an die Arbeit. Wir drücken die Daumen, dass es gelingt.